Mitteilungsblatt Nordheim

Neues aus Nordheim und Nordhausen

Nordheimer Geschichte

Erfasst von: Redaktion, Aslan, Selin | 03.02.2025

Verwaltungsreform – Kreisreform – Eingliederung von Nordhausen am 1.1.1975

Herrn Christoph Buchwald, Bürgermeister zu Nordheim, Oberamt Brackenheim, Neckarkreis, Königreich Würtemberg –
so lautete die Anschrift auf einem Brief aus Hamburg nach Nordheim aus dem Jahr 1848, wobei Bürgermeister die Bedeutung von „Gemeindepfleger“, also Gemeinderechner, hatte. Nordheim und Nordhausen waren bis zur Auflösung des Oberamtes im Jahr 1938 zwei von insgesamt 30 Gemeinden, die zum Oberamt Brackenheim innerhalb des Neckarkreises im Königreich Württemberg gehörten. An der Spitze des Oberamtes, das im Brackenheimer Schloss untergebracht war, stand der Oberamtmann. In der Amtsstadt befanden sich alle wichtigen Einrichtungen die zu einem Oberamt gehörten: Richter, Gericht, Gefängnis, Amtsarzt usw. Dieser Oberamtsbezirk blieb bis 1938 bestehen. Schon 1924 kam es zwar zum Versuch, das Oberamt Brackenheim aufzulösen. Dieser Versuch schlug aber fehl. Erst 14 Jahre später wurde vom Staatsministerium das Kreiseinteilungsgesetz beschlossen, das am 1. Oktober 1938 in Kraft trat. In Württemberg wurden dadurch die bestehenden 61 Kreise in 34 Landkreise umgewandelt.

Der Kreis Heilbronn wurde damals gebildet aus den Oberämtern Brackenheim, Neckarsulm, Heilbronn (ohne Stadt) und Teilen der Oberämter Besigheim und Marbach. Der Landkreis Heilbronn zählte danach insgesamt 99 Kommunen, dazu gehörten auch Nordheim und Nordhausen. Doch nichts ist so stetig wie der Wandel, und so mussten nach rund dreißig Jahren auch die Organisation der Landkreise neu strukturiert werden. Ausgangspunkt für die grundlegenden Veränderungen in der kommunalen Verwaltung und Organisation Ende der 60er und anfangs der 70er Jahre war die Erkenntnis, dass sich die Strukturen in der Gesellschaft und Wirtschaft der Nachkriegsjahre vielfältig und gravierend gewandelt hatten. Die Hauptaufgaben der Verwaltung bestanden ursprünglich in den Bereichen Meldewesen, Standesamt, Ortspolizeibehörde und Feuerwehr. Inzwischen waren aber die Ansprüche der Bevölkerung einer modernen Gemeinde gestiegen: man erwartete Angebote im Bereich Schule, Kindergarten, Bücherei, Sport- und Freizeitanlagen usw. Viele Gemeinden waren diesen Herausforderungen für die Zukunft nicht gewachsen. Deshalb hatte die damalige Verwaltungsreform mit der Gemeindegebietsreform das Ziel, die Leistungsfähigkeit und die Verwaltungskraft der Gemeinden zu stärken. Dabei sollten größere Einheiten bis hin zu Verwaltungsgemeinschaften geschaffen werden um dadurch mehr Effizienz zu erreichen. Unterzentren sollten den Alltagsbedarf abdecken, Mittelzentren den erweiterten oder gehobenen Bedarf wie Fachärzte, Gymnasium, Krankenhaus und Oberzentren sollten den Spitzenbedarf bedienen wie Berufsschule, Hochschule, Theater usw.

Mit in Kraft treten des Kreisreformgesetzes am 1. Januar 1973 als Teil der Gebietsreform fand in Baden-Württemberg eine Reform statt, die auch den Stadt- und Landkreis Heilbronn veränderten. Im Umfeld dieser Entwicklungen erfolgte schließlich auch der Prozess der Gemeindereform in Baden-Württemberg, der im September 1968 begann und am 1. Januar 1975 endete. Veränderungen mussten dabei auch Nachbarlandkreise hinnehmen. Der Landkreis Heilbronn gab Klingenberg (1970), Kirchhausen (1972), Biberach (1974), Frankenbach und Horkheim (1974) an die Stadt Heilbronn ab. Zunächst hatte der Gesetzgeber das auch für die Gemeinden Flein, Leingarten, Nordheim, Nordhausen, Talheim, Untergruppenbach und Unterheinriet geplant. Daraus sollte ein großer Nachbarschaftsverband mit Kernstadt Heilbronn entstehen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Willen der Bürger. Durch die Eingemeindungswelle verringerte sich landesweit die Zahl der Kommunen von 3379 auf 1111 Gemeinden, wobei vor allem kleine Gemeinden mit unter 1000 Einwohnern betroffen waren. Zu diesen kleinen Gemeinden zählte damals auch Nordhausen (1974: 835 Einwohner). Durch Eingemeindung oder Vereinigung sank bis 1974 die Zahl der selbstständigen Kommunen im Landkreis Heilbronn von einst 123 auf zunächst 75 und schließlich auf 46 Gemeinden.

Für Veränderungen in Bezug auf das Gemeindegebiet war vom Gesetzgeber zwingend eine Anhörung der Bevölkerung vorgeschrieben. Die Zielplanung des Landes sah vor, dass Nordheim als aufstrebende Stadtumlandgemeinde mit Nordhausen, ausgewiesen als örtlicher Verwaltungsraum, eine Einheitsgemeinde bilden soll. Aus diesem Grund gab es 1973 und 1974 Gespräche in und zwischen den beiden Gemeinden Nordheim und Nordhausen. Als endgültiger Schlusstermin für eine freiwillige Eingliederung wurde von der Landesregierung der 1. Januar 1975 festgesetzt. Bei der Bevölkerung von Nordhausen stieß dieses Vorhaben auf große Ablehnung. Die Finanzen der Gemeinde befanden sich in einem guten und geordneten Zustand und insgesamt befand sich das Dorf in einer gesunden Entwicklung, so dass man keine Vorteile für eine Eingliederung sah. Bürgermeister Willy Weidenmann erläuterte in einer Bürgerversammlung, dass beim nicht Zustandekommen einer freiwilligen Eingemeindung das Land eine zwangsweise Eingliederung nach Nordheim anordnen würde. In diesem Fall würde man die noch bis zum 1.1.1975 gewährte Fusionsprämie in Höhe von 350 000 DM verlieren. Vorschriftsmäßig wurde nun am 20. Januar 1974 eine Bürgeranhörung in Form einer Abstimmung durchgeführt. Auf dem Stimmzettel stand die Frage:
Sind Sie für die Eingliederung der Gemeinde Nordhausen in die Gemeinde Nordheim?
Diese Frage sollte mit JA oder NEIN beantwortet werden.

Von 467 Wahlberechtigten haben nur 154 (32,9%) ihre Stimme abgegeben. Daraus wird schon deutlich, dass man den Widerstand bereits aufgegeben hatte. 110 Bürgerinnen und Bürger stimmten mit NEIN (71,4%), 44 stimmten mit JA (28,6%). Trotz dieses Abstimmungsergebnisses wurde an dem Vertragsentwurf zur „Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Nordhausen in die Gemeinde Nordheim, beide Landkreis Heilbronn“ festgehalten und weitergearbeitet. Schließlich stimmten beide Gremien diesem Vereinbarungsvertrag zu, der in einer feierlichen Versammlung am 10. Mai 1974 im Sportheim in Nordhausen von beiden Ratsgremien beschlossen und unterzeichnet wurde. Bei diesem offiziellen Vertragsakt waren beide Ratsgremien anwesend, außerdem Altbürgermeister Karl Wagner, Ortspolizist Schenk, Notar Seyffer, die Bediensteten der Gemeinde Nordhausen und einige Vertreter der Einwohnerschaft von Nordhausen. Beide Bürgermeister hielten eine kurze Ansprache, und im anschließenden gemütlichen Teil gab Bürgermeister a.D. Karl Wagner einen Überblick über die Geschichte von Nordhausen. Eine gedruckte Fassung des Vertrages wurde als Sonderbeilage dem jeweiligen Mitteilungsblatt beigelegt.

Die beiden Bürgermeister bei der Vertragsunterzeichnung: Julius Scheffler, daneben Willy Weidenmann
Die beiden Bürgermeister bei der Vertragsunterzeichnung: Julius Scheffler, daneben Willy Weidenmann

Nach außen hin sichtbar wurde die Eingliederung beim Austausch der Ortsschilder am 1. Januar 1975, dem letzten möglichen Termin der freiwilligen Eingliederung. Es gab eine öffentliche Einladung an alle Bürgerinnen und Bürger von Nordhausen und Nordheim, um an dieser „Zeremonie“ teilzunehmen. Anschließend wurde in der Gemeindehalle in Nordhausen ein öffentlicher Frühschoppen angeboten. 600 Brezeln, 120 Liter Bier und reichlich Wein wurden bereitgehalten, um dieses für beide Gemeinden besondere Ereignis entsprechend zu feiern. Alles, was bis um 12.00 Uhr gegessen und getrunken wurde, ging auf Kosten der Gemeinde Nordheim. Die musikalische Umrahmung gestaltete der Musikverein Nordheim.

Ebenfalls sichtbar wurden die Abänderungen verschiedener Straßennamen. Da es in Nordheim und in Nordhausen mehrere Straßen mit gleichen Namen gab, musste man diese abändern, um Irrtümer zu vermeiden. Aus diesem Grund wurden in Nordhausen 12 Straßen umbenannt: Die Hauptstraße wurde zur Waldenserstraße, die Heilbronner Straße zur Oststraße, die Brackenheimer Straße zur Zabergäustraße, die Bergstraße zur Weinbergstraße, die Großgartacher Straße zur Heuchelbergstraße, die Talstraße zur Wiesenstraße, die Südstraße zur Seestraße, die Uhlandstraße zur Rosenstraße, die Goethestraße zur Nelkenstraße, die Hölderlinstraße zur Schwalbenstraße, die Schillerstraße zur Vogelsangstraße und aus der Lerchenstraße wurde die Meisenstraße.

Auswechslung des Ortsschildes durch die beiden Bürgermeister Julius Scheffler und Willy Weidenmann am 1.1.1975. Neue Bezeichnung: Nordhausen - Gemeinde Nordheim
Auswechslung des Ortsschildes durch die beiden Bürgermeister Julius Scheffler und Willy Weidenmann am 1.1.1975. Neue Bezeichnung: Nordhausen - Gemeinde Nordheim

In seiner Rede anlässlich der Vertragsunterzeichnung am
10. Mai 1974 sprach Bürgermeister Weidenmann davon, dass diese Eingliederung keine Liebesheirat sei, dass man lediglich eine Zwangseingliederung vermeiden wolle. Man soll sich gegenseitig trauen und vertrauen und sich das gleiche Recht und die gleiche Lebensgrundlage gönnen. „Dass wir uns in der Mitte treffen, soll uns beide Ansporn und Richtpfeil für künftiges Zusammenleben und Zusammenarbeiten sein. Für die Gemeinde Nordhausen werde ich dies, soweit es mir möglich ist, versprechen.“ Der Nordheimer Bürgermeister Scheffler schloss sich in seiner Rede diesen Wünschen und Hoffnungen an und betonte, dass es auch der Wunsch von Nordheim sei dafür zu sorgen, dass niemand das Gefühl hat, in irgendeiner Form benachteiligt zu sein. „Ein erster Schritt dazu ist zweifellos, wenn wir nicht von Eingemeindung oder Eingliederung – auch wenn das Gesetz dies vorsieht – sprechen, sondern von Zusammengehen und Gleichberechtigung."

Die Gleichberechtigung beider Gemeinden wurde ab Januar 1975 auch deutlich an dem neugestalteten Kopf des Mitteilungsblattes, auf dem beide Ortswappen abgebildet waren und das ab sofort für beide Ortsteile Gültigkeit besaß.
Die Gleichberechtigung beider Gemeinden wurde ab Januar 1975 auch deutlich an dem neugestalteten Kopf des Mitteilungsblattes, auf dem beide Ortswappen abgebildet waren und das ab sofort für beide Ortsteile Gültigkeit besaß.

Mit der Eingemeindung zum 1.1.1975 erhielt Nordhausen eine Ortschaftsverfassung (Ortschaftsrat mit 7 Mitgliedern) und vier Sitze im Nordheimer Gemeinderat. Die Auflösung dieses Gremiums wurde 2007 zum Ende der laufenden Wahlperiode beschlossen. Die erste Sitzung des gemeinsamen Gemeinderates fand bereits am 3.1.1975 statt. Bis zur nächsten Gemeinderatswahl am 20.4.1975 gehörten aus Nordhausen die Herren Wilhelm Baral, Reinhold Conte, Friedrich Piston und Eugen Reiner dem Gremium an. Ortsvorsteher Willy Weidenmann nahm mit beratender Stimme teil. 50 Jahre nach dieser schwierigen Entscheidung der Eingliederung von Nordhausen nach Nordheim kann man feststellen, dass diese „arrangierte Zweckehe“, die bekanntermaßen keine Liebesheirat war, funktioniert und dass kein Anlass zur Scheidung gegeben ist. Ergebnisse und Ausdruck des Zusammenwachsens und des Gemeinsinns sind u.a. der Ausbau des Verbindungsweges zwischen Nordhausen und Nordheim, der Bau der Schule und Mehrzweckhalle (Willy-Weidenmann-Halle), Ausbau des Sportgeländes, die Zusammenlegung der Feuerwehr mit einem zentralen Feuerwehrhaus, die Mitwirkung der Nordhausener Vereine beim Nordheimer Parkfest (1. Parkfest 1975) und vieles mehr.

Ulrich Berger

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